Gedanken und Anregungen zu Cleanrouten
und Winterrouten (Abenteuerklettern)
1. Gebohrte Winterrouten im Mixedgelände
Selbst eine gebohrte Winterroute kann unvermittelt sehr ernst werden, wenn
z.B. ein Standplatz komplett unter dem Schnee verborgen bleibt. In dem
Fall empfehlen wir aus Erfahrung, NICHT am vermuteten Standplatzort krampfhaft
einen Stand mobil oder mit Schlaghaken selbst zu basteln. Es gibt hier die
sicherere Alternative einfach weiterzuklettern
bis zum nächsten gebohrten Zwischenhaken. Auch wenn hierbei das maximale
Ende des Seils erreicht wird, ist das kein Grund zur Panik: In dem Fall sollte
man synchron weiterklettern bis zum nächsten gebohrten Zwischenhaken.
Wichtig dazu ist, dass beide Partner darauf gedanklich vorbereitet sind, d.h.
dass diese Notfallstrategie im Vorfeld besprochen und abgemacht war.
2. Cleane Winterrouten im Mixedgelände
Eine cleane Winterroute im verschneiten brüchigen Mixedgelände
ist mit das Ernsteste, was man im Alpinismus machen
kann. Standplätze sind selbst anzubringen mit Schlaghaken, Friends,
Keilen, oder oftmals unsicheren kurzen oder abgebundenen Eisschrauben. Eine
zuverlässige Beurteilung der Sicherheit dieser Verankerungen ist schwierig bis
unmöglich, wie von Pit Schubert vielfach dokumentiert.
In Folge sollte sich jeder potentielle Wiederholer cleaner Winterrouten
zunächst das damit verbundene Risiko in letzter Konsequenz klar machen und
bewusst für sich entscheiden, ob er bereit ist dieses Risiko einzugehen.
Technische Tipps für winterliche Standplätze sind vielfältig, verlassen
aber notgedrungen oftmals die klassische Lehrmeinung, z.B.:
· In Mixedrouten wenn möglich immer im soliden Eis Stand machen,
nicht im verschneiten Bruchfels
· Meist
kommt aber nach einer steilen Eisstufe oben raus erst
flacheres Eis, dann eine brüchige Felsübergangsstufe und anschließend ein
Schneeband: Man fühlt sich verleitet im brüchigen Fels vor dem Schneeband Stand
zu beziehen – das ist schlecht
· Hier
besser ungemütlich schon am Ende einer Eispassage Stand machen, als in ein
steile Schneepassage reinzuklettern, in der das Seil
ausgehen könnte
· Falls das
passiert: Zurückklettern ins Eis oder synchron weiterklettern, s.
nächster Punkt
· Immer als
Option bedenken: Besser als einen schlechten Stand zu beziehen ist es oftmals
synchron weiterzuklettern, solange hinreichend
Zwischensicherung vorhanden sind
· Tiblocs für Synchronklettern dabeizuhaben ist gut, diese
taktisch klug einzusetzen eine Herausforderung
· Wenn nach
einer schweren Eispassage nur noch eine kurze leichte Eispassage bis zum Selbstbaustand
folgt, immer auch noch eine Schraube in der leichten Eispassage kurz
vor dem Stand setzen: Der Nachsteiger könnte beim
Rausdrehen der letzten Schraube im Steilen stürzen und ohne die Schraube im
leichten Eis wäre dann bis zum Stand keine weitere Sicherung für die gesamte
Seilschaft vorhanden, falls der Stand nicht hält
· Im
letzten Eis oder Fels vor längeren Schneepassagen wenn möglich immer nochmals
eine Sicherung setzen: Kleinräumige Schneebretter sind eine unterschätzte
Sturzursache
· Felsstand:
Zeit nehmen, nicht zwei sondern 3, 4 oder mehr Verankerungen kombinieren
· Die
Verbindung der einzelnen Sicherungspunkte keinesfalls mit einer unabgebundenen Ausgleichsverankerung, sondern mit kraftschlüssig
abgebundener Krakentechnik vornehmen (sonst
gefährlicher Impuls bei wahrscheinlichem Ausbruch eines Sicherungselements)
· Friends sind oftmals eine Scheinsicherung im verschneiten Fels,
gut liegende Keile sind vorzuziehen (ggflls.
festklopfen)
· Wenn
möglich immer beide Eisgeräte aktiv in die Standsicherung mit
einbeziehen (fest eingeschlagen im Eis, als Toter Mann im Firn oder verkeilt im
Fels und kraftschlüssig mit dem Zentralpunkt verspannt)
· Bei
schwachen Ständen wenn möglich den Nachsteiger immer
stramm ohne Schlappseil vom Körper weg sichern, notfalls Nachsteiger zum langsamer Klettern veranlassen, sodass der
Standplatz bei einem Nachsteigerausrutscher gar nicht
erst voll belastet wird
· Das
Wichtigste zuletzt: Ort und Art von Selbstbauständen mit Umsicht
vorausplanen, mögliche Optionen vordenken – und dies vor jeder
Seillänge von neuem.