Gedanken und Anregungen zur Verwendung von Bohrhaken
Es gibt leider noch kein effektives Mittel zur dauerhaften Sicherung der
Bohrhakenlaschen-Muttern. Allerdings wirkt eine leicht lockere
Mutter/Bohrhakenlasche noch nicht sicherheitsmindernd, solange die Mutter noch alle
Gewindegänge greift (die axiale Zugfestigkeit des Expansionsankers wird nicht
beeinträchtigt durch eine lockere Mutter). Folglich die Bitte an alle
Wiederholer: Lockere Muttern immer zumindest "per Hand" festdrehen,
das erfüllt die Sicherheit für den Augenblick hinreichend und verhindert, dass
die Mutter und Lasche im Lauf der Zeit irgendwann herunterfällt (wenn alle
mitmachen)! Noch besser wäre es natürlich, immer einen kleinen
leichten 17er Schlüssel mitzuführen, zusätzlich 1 Reserve-Mutter und 1 Lasche
mit 10 mm Bohrung. Vielen Dank!
Auch moderne (≥ 10 mm)
Edelstahl-Bohrhaken sind niemals 100.00 % sicher. Sie können mit einer gewissen
(mehr oder weniger sehr kleinen) Restwahrscheinlichkeit ausbrechen - deshalb
ist nur das Abseilen an mindestens zwei miteinander verbundenen Bohrhaken
vertretbar sicher ("Einfache Redundanz"). Ebenso ist das Belasten
eines Bohrhakens im Vorstieg nach einem längeren Runout immer besonders risikobehaftet.
Gründe für Bohrhakenausbrüche können sein:
1. Ausplatzen von Felsschichten (gilt für Schwerlast-Expansionsanker und
Verbundklebehaken).
2. Versagen des Verbundmörtels ("Kleber" ist eigentlich falsch,
weil in erster Linie ein Form- oder Verbundschluss vorliegt und keine
"Klebewirkung").
Beispiele aus eigener Erfahrung:
Ad 1) Fall 1a) Beim Einrichten in den frühen 90er Jahren haben wir
teilweise noch mit dem Handmeißel gearbeitet. Als ein Bohrloch fast fertig
gemeißelt war, platzte plötzlich im Umfeld von 10 cm2 der Fels bis
auf die volle Bohrlochtiefe aus. Beim vergleichsweise erschütterungsfreien
Setzen mit Bohrmaschine wäre das Ausplatzen vermutlich nicht passiert - dafür
evtl. dann später bei einer Sturzbelastung.
Fall 1b) Wir haben schon in zwei sanierten klassischen Routen (am Laberdolomit/Ammergau, bzw. Totenkirchl/Kaiser), die wir von früheren Begehungen
kannten, metergroße neue Ausbrüche von Felszonen vorgefunden, die vorher
gleichzeitig mehrere 14 mm-Klebehaken getragen hatten. In beiden Fällen Fall
inklusive Standhaken - alles auf einmal mit ausgebrochen (!). (Dagegen
helfen unsere u.a. Sicherheitstipps allerdings auch nichts.)
Fall 1c) Wir klopfen üblicherweise den Fels vor Setzen des Bohrlochs mit
dem Hammer ab, um aus dem Klang auf Hohlräume schließen zu können. Solche
Hohlräume gibt es auch im perfekt aussehenden Fels sehr häufig. Vorsicht: Bei
alpinen Erstbegehungen von unten werden notgedrungen auch manchmal Haken in
nicht perfektem Fels gesetzt, wenn i) sich keine perfekte
Platzierungsmöglichkeit findet, oder ii) die Haken aus der Kletterstellung gesetzt
werden und die Kraft für das Abklopfen nicht mehr ausreicht. Die daraus
resultierende möglicherweise eingeschränkte Qualität ist den Haken nicht
anzusehen und das Abseilen an einem solchen einzelnen Zwischenhaken (im Zuge
eines Rückzugs) kann sehr risikobehaftet sein! (Ein solches Abseilen an einem
einzelnen Haken kann jedoch immer von unten hintersichert
werden, s.u.).
Ad 2) Fall 2a) Wir hatten im Jahr 2000 einige Klebepatronen vom Typ Hilti
HVU verwendet. Bei diesen flexiblen Patronen sind die beiden
Verbundmörtel-Komponenten mit einer Plastikfolie voneinander getrennt. Beim
Einschlagen und Eindrehen des Hakens hat sich teilweise diese Plastikfolie
unglücklicherweise vollständig um die eine Kleber-Komponente gelegt, so dass
die Aushärtung teilweise oder vollständig verhindert wurde. Es gab damals
Haken, die nie fest wurden und Haken die augenscheinlich fest waren. Der
DAV-Sicherheitskreis hatte im Rahmen dieses Falls den Karabiner-Drehtest
vorgeschlagen: Wenn dabei ein solcher Klebehaken nicht locker wurde sollte er
als sicher betrachtet werden können. Nun haben wir erlebt, dass solche
(Abseil-)Klebehaken trotz ursprünglich bestandenem Drehtest dann doch nach gut
5 Jahren plötzlich locker wurden. Wir würden das als vorschnelle Alterung des
Kunststoffanteils im Verbundmörtel deuten. Woher könnte diese vorschnelle
Alterung kommen? Es könnte sein, dass der Verbundmörtel in diesem Fall
evtl. nur stellenweise entlang des Haken-Schafts ausgehärtet war (an andern
Stellen hat die Plastikfolie dies verhindert), oder aber räumlich homogen aber
nicht ideal vollständig ausgehärtet war (falsches
Binder-Härter-Verhältnis, weil eine Komponente des Verbundmörtels teilweise von
der Plastikfolie zurückgehalten worden war) - was zwar ursprünglich für das
Bestehen des Drehtests gereicht hatte - aber dann letztendlich zu einer
vorschnellen Alterung geführt hatte in Verbindung mit einer periodischen
Dauerbelastung (Dauerbruch) beim Abseilen. Wir vermuten, dass genau dieser
Prozess - Kunststoff-Alterung in Verbindung mit "Dauerbruch" - (nur
auf längerer Zeitskala) im Prinzip auch bei "ordungsgemäßen"
(kein Defekt im Verbundmörtel) Vermundmörtel-Haken
passiert (s.u.).
Fall 2b) Wenn das Bohrloch innen feucht-sandig-lehmig ist (dies ist
manchmal auch unter perfekt aussehender trockener Felsoberfläche der Fall - man
merkt dies dann beim Putzen des Bohrlochs mit dem Pfeifenputzer),
haben wir schon erlebt, dass der Verbundmörtel nicht richtig aushärtet und der
Haken zwar beim "Karabiner-Drehtest" nicht ausbricht, aber dabei leicht
wackelt. Wir interpretieren dieses Symptom so, dass sich etwas vom der
sandig-feuchten Bohrlochbelag mit dem Verbundmörtel
vermischt und dies zu einer sandigen nicht in sich haftenden
Verbundmörtelsubstanz führt. Ein solcher Haken hat vermutlich eine deutlich
reduzierte Verbund-Festigkeit, vielleicht etwa die Festigkeit eines klassischen
Normalhakens der in einen sandigen Riss geschlagen wurde. Interessant in diesem
Zusammenhang ist, dass Tests ergeben hatten, dass das Reinigen des Bohrlochs
mit klarem Wasser die Festigkeit eines Verbundhakens nicht mindert sondern
erhöht (es ist ja keine Klebewirkung sondern eine Verbundwirkung, d.h. eine
Formschlusswirkung und diese wird durch reines Wasser in den Poren des
Bohrlochs nicht gemindert). In unserem Fallbeispiel dürfte aber wohl der
sandig-feuchte-lehmige Belag im Bohrloch sich mit dem Verbundmörtel vermischt
haben, der dann in einer insgesamt sandigen, nicht in sich verfestigten Form
blieb.
Fall 2c) Es häufen sich die Berichte (und eigene Erfahrungen) von Klebehaken,
die ursprünglich fest waren und nach einigen Jahren locker werden. Dies könnte
eine Art Dauerbruch des Verbundmörtels durch das viele Abseilen sein, in
Verbindung mit der Alterung des Kunststoffanteils im Verbundmörtel (jeder
Kunststoff altert).
Wir haben uns daher jetzt (Herbst 2006) entschieden, künftig vom Setzen
weiterer Verbundmörtelanker ("Klebehaken") abzusehen und nur noch
ausschließlich Schwerlast-Expansionsanker zu setzen. Bisher war den
Verbundmörtel-Klebehaken in der offiziellen Lehrmeinung der Vorzug vor
Schwerlast-Expansionsankern gegeben worden. Die (bisher nicht durch
Langzeittests belegte) Adhoc-Begründung für diese
geringer eingestufte Langzeit-Sicherheit von Schwerlast-Expansionsankern war,
dass selbige das Bohrloch nicht abdichten und das Eindringen von Feuchte in
Verbindung mit der Spreiz-Druckwirkung des Expansionskonus zur Erosion und
Lockerung des Expansionsanker-Hakens führen soll. Wir denken nun, dass
Druckfestigkeit eine der herausragendsten
Materialeigenschaften von Kalk und Granit ist und dass der Erosionseffekt die
Bruchlast von Expansions-Schwerlastankern auch nach 20-30 Jahren nicht
erheblich mindern sollte - die positive Erfahrung mit erstaunlich
sturzfesten 20 Jahre alten Expansionsankern im Kalk (z.B. an den Wendenstöcken
in der Schweiz) scheint das zu belegen (wohl aber scheinen
Verbundmörtelhaken auf dieser Zeitskala teilweise locker zu werden, s.o.). Ein
neuer idealer Klebehaken hat zwar weit überdimensionierte axiale
Bruchlastwerte, aber im Falle des Versagens des Klebers kann die axiale
Bruchlast gegen Null gehen - so etwas gibt es bei Expansions-Schwerlastankern
nicht, die bei (axialer) Zugbelastung konstruktionsbedingt immer
selbst-nachspannend reagieren.
Als Anregung: Unsere eigenen Strategien zur Risiko-Minimierung
1. Klebehaken niemals in kritischen Situationen bedenkenlos axial belasten
(Expansions-Schwerlastanker sind diesbezüglich weitgehend unkritisch, s.o.).
Typische risikoreiche Situationen sind das A0-Klettern an Klebehaken im Vorstieg nach einem weiten Runout.
Hier ist es besser die Stelle frei zu klettern oder aber - wenn die Stelle
wirklich zu schwer ist - eine Trittschlinge/-leiter zu verwenden, die ein
weitgehend axialkraftfreies Hochkommen erlaubt. Ferner riskant ist natürlich
das Abseilen an (einzelnen) Klebehaken - hier ist es besser, auf den ersten
Metern den Klebehaken nicht zu sehr axial nach außen zu belasten (also besser
erst etwas abklettern).
2. Generell nicht an einzelnen Bohrhaken abseilen. Wenn am Stand zwei Haken
vorhanden aber nicht verbunden sind, wäre eine Minimalmaßnahme, die beiden
Haken zu verbinden und den schwereren Partner (mit Rucksack) voraus abseilen zu
lassen. Ist nur ein Abseil-Bohrhaken vorhanden kann man mobile Sicherungen
legen und diese mit dem Bohrhaken verbinden. Wenn alles hält und dann der
Nachfolger die Verbindung unbedingt zum Geld-Sparen abbauen will, sollte er
sich überlegen, ob ihm die Kosten für das zurückgelassene Material wirklich das
unkalkulierbare Risiko ("Null-Redundanz") wert sind - Nachfolger würden
sich über seine "Investition" sicher freuen.
Wenn an einem Zwischenhaken abgebaut werden muss (Stelle zu schwer), sollte
niemals an diesem einzelnen Haken ohne weitere Sicherungsmaßnahmen abgeseilt
werden. Mit Zwillings- oder Doppelseil gibt es hier die schöne Möglichkeit, an
einem Seil eingebunden zu bleiben und von unten vom Partner weiterhin gesichert
zu werden, während man sich aus dem anderen Seil ausbindet und an diesem
(notfalls auf zweimal) zum Stand runter abseilt und dabei sukzessive die Expressschlingen
aushängt (der Partner holt das Sicherungsseil natürlich schrittweise ein). Man
hat damit eine Sicherung von unten wie zuvor im Vorstieg,
allerdings nur an einem Halbseil.